Kerstin Kempker Mitgift Notizen vom Verschwinden. E-Book
Cover im Großformat | Cover-Rückseite | Über die Autorin | Inhaltsverzeichnis | Einleitung | Leseprobe | Rezensionen | Home Über das BuchAuch wenn keiner mehr daran glaubt, kann man es schaffen, den psychiatrischen Sumpf nach Jahren zu verlassen und wieder auf eigene Füße zu kommen. Autobiographischer Bericht über eine Jugend in der Psychiatrie, über das Verschwinden in den Gedanken, über die Bedeutung und die Last der Wörter und darüber, wie die Psychiatrie sie mit Neuroleptika, Antidepressiva, Tranquilizern, Insulin- und Elektroschocks auslöschen will. Mutmachendes Buch für Betroffene und Familien. Das bewegendste Antipsychiatriebuch der Welt. Kerstin Kempker beschreibt, wie sie Mitte der siebziger Jahre aus einer Beamtenfamilie und katholischen Klosterschule heraus in die Psychiatrie fiel, was sie in mehr als drei Jahren dort erlebte und wie sie daraus hervorging. Es ist keine Leidensgeschichte, kein Verarbeitungs- oder Selbstfindungstext der alten Schule. Ein Bericht, trocken, lakonisch, aus großer zeitlicher Distanz gewonnen. Ein poetischer Text immer da, wo die Autorin ihre damaligen Gedichte, Briefe und Zeichnungen einfügt. Und wenn sie den psychiatrischen Akten ihre eigenen Erinnerungen gegenüberstellt, klafft dazwischen die Sprachlosigkeit. Wie landet eine Siebzehnjährige, die nie den Verstand verlor, in der Geschlossenen Frauenstation und wird elektrogeschockt? Wie reagiert die Umwelt auf das von Insulinschocks und Neuroleptika entstellte Monster, das in wenigen Monaten aus ihr geworden ist? Wie passt sie sich einer ver-rückten Welt an? Wird der Suizid zum Lebensziel? Und wie findet sie wieder heraus? Wie eng wird es da »draußen«? Wozu ist ein Phantom nützlich und eine Schreibmaschine? Und was wird so der Zukunft diktiert? Unverfroren und niemals larmoyant schreibt die Autorin trotzig »Ich« und nennt die Beteiligten beim Namen: die Behandler der biologisch orientierten Universitätspsychiatrie in Mainz, der daseinsanalytisch orientierten Psychiatrie im Schweizer Kreuzlingen und der gemeindepsychiatrisch orientierten Psychiatrie Häcklingen (u. a. Henrik Uwe Peters, Wolfgang Binswanger, Niels Pörksen). Im Jahr 2000, wo in Deutschland Psychiater und Politiker »25 Jahre Psychiatrie-Enquête« feiern, zeigt »Mitgift« die andere Seite der reformierten Psychiatrie. Präzise und mit kühlem Witz präsentiert Kerstin Kempker ihre Fundstücke aus sieben Jugendjahren. Sie beschreibt und weil sie nur dies tut, nicht wertet, nicht ins Allgemeine ausschweift, steht der gesamte Text unter einer Spannung, die sich nirgends entlädt. Die sprachliche Leichtfüßigkeit, mit der die Autorin den Schrecken wiedergibt, ihre illusionslose Sicht auf sich selbst und eine immer wieder aufflackernde Lust am Untergang, am Sprachspiel, am Widerspruch, am Leben selbst machen es leicht, als Leser dabeizubleiben und über Abgründe mit hinweg zu hüpfen.
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